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20.12.2021

Was bringt Gendern wirklich?

Schüler oder Schüler*innen? Oder Schüler und Schülerinnen?
Schüler oder Schüler*innen? Oder Schüler und Schülerinnen? Bild: Pexels
Gendern ist ein politisch heiss umstrittenes Thema – vielschichtig und nicht eindeutig geregelt. Doch was meinen Bevölkerung, Studien und Experten dazu? Eine Übersicht.

Laut dem Duden ist es nicht eindeutig, ob bei Verwendung des generischen Maskulinums (zum Beispiel alle Schüler) nur Männer oder auch Frauen gemeint werden. So empfiehlt der Duden die Doppelnennung, schriftliche Kurzformen, geschlechtsneutrale Ausdrücke (Mensch, Person), Sachbezeichnungen (Leitung, Kollegium) oder Substantivierungen (Studierende, Gewählte).

Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache spricht sich für das Gendern aus. Jedoch nicht für der Genderstern oder andere schlecht lesbare beziehungsweise nicht regelkonforme Schreibweisen, wie sie in ihrem Leitfaden schreibt.

Gendern und Asterisk nerven ...

Und wie sehen es die Deutschschweizer Frauen, die anscheinend am meisten darunter leiden? Gemäss Statista (März 2021) gaben bei einer Online-Umfrage lediglich 26 Prozent der 6280 Frauen an, dass ihnen eine geschlechtsneutrale Sprache wichtig ist. 40 Prozent achten gar nicht darauf und 34 Prozent finden es sogar unnötig und kompliziert.

In einer Umfrage von «20 Minuten» ist das Ergebnis für Gender-Befürworter noch enttäuschender: So haben 70 Prozent der befragten Frauen angegeben, dass sie wenig von der gendergerechten Sprache halten. Auch in einer Umfrage des «Tagesanzeigers» zeigt sich, dass die meisten Leser das generische Maskulinum bevorzugen.

... und passen nicht in die Sprache

Soweit lässt sich sagen, dass mehr gegen das Gendern als dafür sind. Doch das Ziel des Genders ist eigentlich gut gemeint: Es sollen alle angesprochen werden. Schön und gut, aber fühlen sich denn nicht alle, bis auf die Verfechter des Genderns, beim generischen Maskulinum angesprochen? Zum Beispiel: Wenn ein Schulrektor über seine Schüler redet, dann kann man davon ausgehen, dass er auch die weiblichen mitmeint und sich diese sich auch angesprochen fühlen.

Ausserdem kann das Gendern mit dem Genderstern unnötig und kompliziert werden: Wie soll man beispielsweise Bürgermeister in eine gegenderte Form setzen? Bürgermeister*innen? Bürger*innenmeisternde? oder Bürger*innenmeister*innen? Und wie sieht es bei folgendem Satz aus: «Das Handwerk des Tischlers» Soll man dann «Das Handwerk der*des Tischlers*in» oder «Das Handwerk der Tischlenden» schreiben? Ganz unelegant könnte man natürlich auch «Das Handwerk von den Tischler*innen» benutzen. In einigen Fällen lässt sich das Gendersternchen einfach nicht gut einbauen. Aber auch Begriffe wie «zu Fuss gehende» anstelle von «Fussgänger» hören sich nicht wirklich schön an.

Für die meisten Gender-Befürworter ist das Gendern auch wichtig für die Gleichstellung von Mann und Frau – was wichtig und richtig ist. Doch es gibt Länder, deren Sprache kein generisches Maskulinum hat – zum Beispiel die Türkei – und im Thema Gleichstellung trotzdem nicht weiter sind als die Schweiz.

Sprache hat Einfluss auf das Gedachte

Sprachwandel kann nicht erzwungen werden – schon recht nicht von den oberen Schichten. Die Sprache entwickelt sich vom Zentrum der Gesellschaft aus. Vielleicht wird das Gendern irgendwann akzeptiert. Aber solange die Mehrheit der Bevölkerung sich einig ist, dass mit dem generischen Maskulinum alle angesprochen sind und sich auch die meisten angesprochen fühlen, wird es in diesem Bereich keine grossen Veränderungen geben.

Doch es gibt auch wissenschaftliche Studien, die beweisen, dass das generische Maskulinum einen Einfluss auf das im Kopf entstehende Bild hat. So mussten in einer Studie die Teilnehmer bestimmen, ob zwei Sätze wie «Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof» und «Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen/Männer keine Jacke» miteinander zusammenhängen. Auch die Reaktionszeit wurde gemessen.

Das Ergebnis: Wenn im nachfolgenden Satz von Frauen die Rede war, wurde häufiger ausgewählt, dass diese Sätze nicht zusammenhängen. Die Reaktionszeit war auch länger. Das gleiche Experiment wurde auch auf Englisch durchgeführt, wo es kein generisches Maskulinum gibt. Dort war der Beruf ausschlaggebend. So waren für Englischsprachige typische Frauenberufe mit der Erwähnung von Frauen im folgenden Satz zusammenhängender.

Patrice Ezeogukwu/stgallen24/ Linth24