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Rapperswil-Jona
26.08.2024
28.08.2024 06:42 Uhr

China-Deal: Widersprüchliche und teure Schuldzuweisung

Wer wird zum Schluss im China-Deal zur Kasse gebeten?
Wer wird zum Schluss im China-Deal zur Kasse gebeten? Bild: Linth24
Die Chinesen reden in Jona von investierten 2 Millionen Franken. Ist die Stadt mit dem Vertrags-Aus und der Schuld-Zuweisung an SinoSwiss fein raus? Linth24 zeigt auf, was geschah. Von Bruno Hug

Beim China-Deal gibt es satte Widersprüche. Linth24 zeigt auf, wie allein schon das städtische Kernargument, die Chinesen hätten bei der Baueingabe gesäumt, grosse Probleme nach sich ziehen könnte. 
Zudem dokumentiert Linth24 im zweiten Teil dieses Berichts, welcher immense Energie- und Geldverschleiss im China-Deal steckt, entstanden auf Basis leichtsinnigem, städtischem Handeln und Intransparenz. 

Unvollständige Auflage?

Am 20. November 2023 teilte die Stadt mit, SinoSwiss habe ihre Unterlagen für das Baugesuch für den China-Baus im Joner Schachen «komplettiert». Ab 23. November liege das Baugesuch im Stadthaus auf. (Siehe hier) Zudem sei es an den Kanton zur Bewilligung geleitet worden. 
Acht Monate später, am 14. August 2024, erklärte der Stadtrat, der Vertrag mit SinoSwiss sei «dahingefallen». Die Chinesen hätten kein «bewilligungsfähiges Baugesuch» eingereicht. Das Land im Schachen werde der China-Firma nicht überschrieben. 

Fachleute staunen 

Fachleute staunen, denn ein unvollständiges Baugesuch dürfe gar nicht aufgelegt werden. Fazit: Entweder legte die Stadt am 23. November ein Baugesuch auf, das nicht auflagebereit war. Oder der Ausstieg des Stadtrates aus dem China-Vertrag mit dem Argument, das Baugesuch sei unvollständig gewesen, steht auf tönernen Füssen.

Damals noch Freunde

Warum solche Widersprüche? Die Antwort liegt auf der Hand: Im November 2023 stand der Stadtrat noch voll hinter dem China-Deal. Stadtpräsident Stöckling sagte damals, das Baugesuch der Chinesen hätte «Anrecht auf eine speditive Behandlung». Und selbst letzten 14. März 2024 sagte er noch, er wolle den China-Vertrag «einhalten». Vertrag sei Vertrag.

Gericht greift ein

Vier Monate später urteilte das Verwaltungsgericht im China-Deal und warf dem Stadtrat «willkürliches» Handeln vor. Damit war praktisch klar, dass es zum Landverkauf noch eine Volksabstimmung geben muss.
Also drehte der Stadtrat den Spiess um und verkündete vor 14 Tagen, er habe den 2021 vereinbarten Vertrag mit SinoSwiss im Juli 2024 beurteilen lassen. Dabei sei herausgekommen, der Vertrag sei Ende letzten Januar dahingefallen. Schuld sei SinoSwiss. 

Spitzkehre

SinoSwiss stand nach der Spitzkehre des Stadtrates nun auf einmal mit dem Messer im Rücken da. Man höre den Vorwurf zur Baueingabe zum ersten Mal, sei überrascht, teilte ihr Geschäftsführer mit, und man prüfe, gegen die Stadt rechtlich vorzugehen.

Immenser Energie- und Geldverschleiss
 

Der China-Deal stellt stellt einen beispiellosen Energie- und Steuergeldverschleiss dar. Linth24 dokumentier alle Eckpunkte des Geschäfts. Zu bedenken ist dabei, dass mit jedem nachfolgend geschilderten Schritt eine umfangreiche Korrespondenz einherging.

Stadtrat: Start 2019

Am 14. August 2024 sagte Stadtpräsident Martin Stöckling gegenüber Medien, die Stadt sei mit den Vertretern der chinesischen Firma SinoSwiss seit 2019 in Verhandlung. Was er nicht sagte: SinoSwiss war auch mit den Eigentümern des Ex-Swisscom-Gebäudes an der Eichfeldstrasse im Gespräch. Sie aber nahmen Abstand vom Geschäft – weil zu fragwürdig. Das teilten sie dem Stadtpräsidenten mit. Er sah das anders und kam mit den Chinesen ins Geschäft.

Stadtrat: 8. Feb. 2021

Anfang 2021 beschloss der Stadtrat den Verkauf von 2000 m2 Stadtland an SinoSwiss für CHF 2.4 Mio. Dabei vermutete er, es sei nicht «nicht davon auszugehen», dass der Verkauf dem Referendum unterstellt werden müsse. Als Richtwert zur Festlegung seiner Kompetenz zog er den (10 Jahre alten) amtlichen Steuerwert des Stadtlandes heran.
(Beides verteidigte der Stadtrat später durch alle Böden. Beides war gemäss Verwaltungsgericht vom 4. Juli 2024 aber falsch und «willkürlich».)

Stadtrat: 21. Feb. 2023

Nachdem Linth24 auf den Fall aufmerksam wurde und Fragen an den Stadtrat stellte, informierte er am 21. Februar 2023 über den fast zwei Jahre zuvor abgeschlossenen Landverkauf.

Raetzo: 10. März 2023

Ex-SP-Präsident Hanspeter Raetzo beantragte beim Kanton mit einer Beschwerde, der Landverkauf sei dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Kanton: 1. Mai 2023

Der Kanton, resp. das Departement des Innern, teilte nach Anhörung der Stadt am 1. Mai 2023 in einem gut 1-seitigen Brief mit, der Stadtrat habe das Land in Eigenregie verkaufen dürfen.

Linth24 schrieb dazu: Der Brief sei schwach. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Referendum unterlaufen wurde, gebe es darin nicht. Es scheine, Regierungsrätin Laura Bucher habe dem Stadtrat einen Gefallen machen wollen. 

Raetzo: 23. Mai 2023

Nach der Schützenhilfe des Kantons für den Stadtrat gelangte Raetzo ans Verwaltungsgericht und verlangte erneut, der Landverkauf sei dem Referendum zu unterstellen.

Kanton: 29. Juni 2023

Der Kanton schreibt dem Verwaltungsgericht, die Beschwerde Raetzo sei abzuweisen.

Stadtrat: 16. Aug. 2023

Auch der Stadtrat von Rapperswil-Jona beantragt dem Gericht, die Beschwerde Raetzo sei abzuweisen.

Raetzo: 28. Sept. 2023

Raetzo hielt gegenüber dem Gericht an seiner Beschwerde fest und warf dem Kanton vor, befangen zu sein. Das Departement habe lediglich die Stadtrats-Argumente «abgeschrieben».

Raetzo: 13. Okt. 2023

Raetzo leitet zum umstrittenen Wert des (China)Landes weitere Akten ans Verwaltungsgericht, aufgrund derer das Vorgehen des Stadtrates noch fragwürdiger wurde .

Stöckling: 2. Nov. 2023

Stadtpräsident Martin Stöckling sagte Anfang November 2023 in der Linth-Zeitung, ein allfälliges Urteil des Verwaltungsgerichts gegen den Stadtrat bedeute «nichts». Die Beschwerde Raetzo könne den Landverkauf an die Chinesen «nicht verhindern». (Er irrte vollufänglich.)

Stadtrat: 21. Nov. 2023

Der Stadtrat schreibt dem Gericht erneut, die Beschwerde Raetzo sei abzuweisen.

Raetzo: 15. Dez. 2023

Der auf das Verwaltungsrecht spezialisierten Anwalt von Raetzo beantragt dem Gericht hingegen, die Beschwerde Raetzo sei zu behandeln und der Landverkauf sei dem Referendum zu unterstellen.

Stadtrat: 25. Jan. 2024

Der Stadtrat schreibt dem Verwaltungsgericht wieder, alle Anträge von Raetzo seien abzuweisen.

Gericht: 12. Feb. 2024

Das Verwaltungsgericht verpflichtet den Stadtrat, ihm ein allfälliges China-Baugesuch vorzulegen – um damit eine Überschreibung des Landes an die Chinesen zu verhindern.

Gericht: 4. Juli 2024

Das St. Galler Verwaltungsgericht versetzt China-Deal des Stadtrates einen Tiefschlag. Es heisst die Beschwerde Raetzo gut und verlangt für das China-Land eine Neuschätzung entsprechend dessen Marktwert. Das Gericht wirft dem Stadtrat vor, sein Verkaufsbeschluss sei «nicht haltbar» und «willkürlich» gewesen. Und er habe sein Grundbuchamt» bei einer Landschätzung beeinflusst. Damit wird faktisch sicher, dass der Landverkauf noch dem Volk unterbreitet werden muss. 

Stadtrat: 18. Juli 2024

Stadtrat Kurt Kälin sagt anstelle des ferienabwesenden Stadtpräsidenten gegenüber Medien, die Stadt prüfe, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ans Bundesgericht zu gelangen.

Kanton: 5. Aug. 2024

Der Kanton verbietet dem Stadtrat, das Land im Joner Schachen während des Rechtsverfahrens an SinoSwiss zu übertragen.

Stadtrat 14. Aug. 2024

Der Stadtrat teilt mit, das städtische Land im Joner Schachen werde er nicht an die China-Firma SinoSwiss überschrieben. Der Landverkaufsvertrag aus dem Jahr 2021 sei dahingefallen. SinoSwiss sei schuld. Sie habe der Stadt die Baugesuch-Unterlagen nicht rechtzeitig und nicht vollständig eingereicht. (Obwohl der Stadtrat das Baugesuch letzten November öffentlich aufgelegt hat.)

SinoSwiss 24. Aug. 2024

SinoSwiss teilt mit, sie beharre auf dem Landverkaufsvertrag. Sie habe die Baugesuchs-Unterlagen zeitkonform eingereicht, aber die Stadt habe das Baugesuch ein halbes Jahr verzögert. Damit wird es wahrscheinlich: Es kommt zur Klage von SinoSwiss gegen die Stadt. Und das könnte teuer werden.

Bruno Hug