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Leserbrief
Schmerikon
31.12.2025
31.12.2025 13:24 Uhr

Erinnerungen an den Nachtverkauf

 Thomas Deuber erzählt von seinen Erlebnissen beim Nachtverkauf in der Bäckerei Tschirky in Schmerikon.
Thomas Deuber erzählt von seinen Erlebnissen beim Nachtverkauf in der Bäckerei Tschirky in Schmerikon. Bild: Linth24
Thomas Deuber machte die Bäckerlehre bei Tschirky in Schmerikon. Nach dem durch Nachbarn erzwungenen Ende des legendären Nachtverkaufs teilt er mit Linth24 seine Erlebnisse.

Thomas Deuber schreibt:

«Es war etwa 1990. Ich war damals in der Lehre bei Tschirky als Bäcker Konditor. Manchmal durfte ich als Lehrling auch von Samstag auf Sonntag arbeiten. Das hiess nicht Samstagabend, sondern Sonntagmorgen. Um drei Uhr ging es los.

Beginn Nachtverkauf

Diese Schichten waren etwas ganz Besonderes, denn man war komplett alleine mit dem Chef. Mit Tscherro. Er war streng, sehr streng. Aber fair. Die Bäckerei war damals noch klein, noch nicht umgebaut wie heute. Der spätere Umbau mit dem Durchbruch ins Nachbargebäude und den zwei Backöfen kam erst viel später. Das ist eine andere Geschichte.

Ich erinnere mich noch genau, wie der Nachtverkauf begann. Am Anfang war alles sehr einfach. Wir schauten, dass wir früh ein Blech Gipfeli frisch aus dem Ofen hatten. Ein Blech, zwanzig Stück. Ziel war, dass gegen zwanzig nach drei alles bereit war. Für den Fall, dass jemand vorbeikommt, der weiss, dass hier gebacken wird. Nach dem Ausgang oder direkt nach einem Spiel von Ambri.

Hockeyfans

Und genau so kam es. Vor allem Ambri Fans aus dem Linthgebiet tauchten auf. Egal ob Heimspiel in der Valascia oder auswärts in Fribourg oder Bern. Der Car kam meist gegen halb vier morgens in Schmerikon am Bahnhof an. Rund fünfzig Fans. Wenn wir wussten, dass Spiel war, hatten wir zwei Bleche Gipfeli bereit.

Das führte zu vielen lustigen Situationen. Man war alleine mit dem Chef. Ein Ofen musste überwacht werden, Teiglinge gingen auf, Brote mussten in den Ofen. Und gleichzeitig drängte eine ganze Gruppe Menschen in die warme Backstube, wollte Hallo sagen, reden, lachen. Natürlich durften sie nicht zu weit hinein. Hygiene war auch damals schon ein Thema. Bei Tschirky sowieso. Das habe ich später in der Berufsschule schnell gemerkt. In Sachen Hygiene war der Betrieb seiner Zeit voraus.

Frisches Brot

Unsere Lösung war pragmatisch. Sobald die ersten Brote aus dem Ofen kamen, wurden sie mit der Wasserdüse nassgespritzt für den Glanz und dann zum Auskühlen auf die hölzernen Brotrechen geschoben. Davon hatten wir damals zwei Stück. Das war extrem viel. In der Berufsschule haben alle gestaunt, wenn ich das erzählt habe.
Diese Brotrechen stellten wir quer vor den Eingang. Als Barriere. So kam niemand weiter in die Backstube.
Und dann ging es los.
«Ohhh, was haben wir denn hier?»
«Frisches Brot?»
«Weisch, wiä hät mis Mami Freud, wenn grad so es frisches Brot morn am Morge uf em Tisch stoht, wenn sie verwacht.»

Euphorie

Und so wurde tatsächlich schon Brot verkauft. In der Euphorie wurde auch mal ein Halbpfünder direkt in der Bäckerei gegessen. Das Problem war nur, dass dann am Morgen manchmal Brot fehlte für die reguläre Kundschaft. Je nach Nacht mussten wir neue Teige ansetzen, und es wurde knapp mit dem Befüllen des Ladens.

Im Frühling war es ruhiger. Zum Glück war Ambri oft früh aus den Playoffs draussen. Im Sommer hingegen ging es wieder richtig los. Die Leute kamen vom Jostenplatz oder von der Halbinsel in Schmerikon, dort wo die Linth in den Zürichsee fliesst. Auf dem Heimweg hatte man Hunger. Und ging noch schnell bei Tschirky vorbei.

Einzigartig

Es waren schöne Momente. Anstrengend, aber besonders. Rückblickend kann ich sagen, der Nachtverkauf war schon damals etwas Einzigartiges. Das gab es sonst nirgends. Später kamen frische Sandwiches dazu, Wurstweggen, Schinkengipfeli. Wer das nicht erleben durfte, hat wirklich etwas verpasst.

Das Schönste daran war, dass alles ganz natürlich gewachsen ist. Ohne Konzept, ohne Marketing, einfach aus der Situation heraus. Wie es ganz am Schluss war, kann ich nicht beurteilen. Aber der Anfang des Nachtverkaufs war etwas vom Ehrlichsten, Schönsten und Leckersten, was man sich vorstellen kann.»

 

Thomas Deuber
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