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Kanton
14.05.2020
14.05.2020 07:34 Uhr

1'000 Einsätze wegen häuslicher Gewalt

Bild: zVg
Häusliche Gewalt hat laut neuster Statistik während der Corona-Krise nicht zugenommen. In anderen Ländern explodieren die Zahlen. Mögliche Gründe dafür?

Rund 1'000 Polizeieinsätze im häuslichen Bereich, davon in 467 Fällen bei Familien mit Kindern, in rund 40 Prozent der Fälle mit Gewalttätigkeiten: Dies sind die wesentlichen Eckdaten der Jahresstatistik 2019 der Koordinationsstelle Häusliche Gewalt im Kanton St.Gallen Die Zahlen liegen laut Statistik weitgehend auf gleichem Niveau wie in den Vorjahren. «Erfreulich sei, dass auch nach dem Aufruf 'Bleiben Sie zuhause' kein Anstieg der Vorfälle zu verzeichnen ist», heisst es in der Medienmitteilung vom Kanton St.Gallen. 

Zahlen in anderen Ländern zeigen, dass es keine «erfreulichen» Entwicklungen bezüglich häuslicher Gewalt in Corona-Zeiten gibt. In Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien gab es einen Anstieg von bis zu 30 Prozent. Doch hierzulande scheint Corona kein Treiber für mehr Gewalt hinter verschlossenen Türen zu sein. Hat es die Schweiz besser gemacht oder verzerrt die Statistik die Wahrheit?

Mehrere Theorien
Laut Miriam Reber, Leiterin der Koordinationsstelle Häusliche Gewalt in St.Gallen, gibt es mehrere mögliche Erklärungen für die konstanten Zahlen in der Statistik während der Corona-Krise: «Diese Zahlen sind die Familien, die sich Hilfe holen. Was sich in Wirklichkeit abspielt, wissen wir leider nicht. Es gibt mehrere Versuche zu erklären, warum wir in St.Gallen bzw. in der Schweiz keinen hohen Anstieg zu vermelden haben.» Sie nennt folgende Hypothesen:

  • Keine Ausgangssperre: Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien wurde in der Schweiz keine Ausgangssperre verhängt. «Betroffene Personen waren nicht komplett eingesperrt. Der Bundesrat hat dazu gesagt, dass dieser präventive Aspekt mit ein Grund ist, dass er ich gegen eine Ausgangssperre entschieden hat», so Reber
  • Keine Möglichkeiten: Andererseits hiess auch in der Schweiz «stay at home», und viele Familien waren plötzlich 24/7 unter einem Dach. Somit auch Opfer und Täter. «Das kann dazu führen, dass man unter ständiger Kontrolle steht und nicht nach Hilfe rufen kann.»
  • Ungewissheit: Viele Opfer seien während der Krise auch verunsichert gewesen und wussten nicht, ob Frauenhäuser oder andere Angebote noch bestehen und geöffnet haben.

«Frauen haben heimlich aus dem Keller angerufen»
Einrichtungen wie das Frauenhaus St.Gallen waren trotz Lockdown stehts geöffnet. «Wir haben uns auf schlimme Szenarien vorbereitet, da wir nicht wussten, was auf uns zukommt», sagt Silvia Vetsch, Geschäftsleiterin vom Frauenhaus St.Gallen. Die Frauenhäuser seien während der Corona-Zeit teilweise sehr voll gewesen, aber es kam nie zu einer Notsituation.

«Wir hatten aber schon vor Corona immer wieder mal volles Haus. Deshalb ist es schwierig zu sagen, ob da ein Zusammenhang besteht.» Auch sie ist der Meinung, dass eine Ausgangssperre ähnliche explosive Zahlen von häuslicher Gewalt wie in anderen Ländern hätte herbeiführen können. «Natürlich kann es aber auch sein, dass beispielsweise Frauen nicht die Möglichkeit hatten, ihrem Partner zu entkommen. Deshalb haben uns einige Frauen auch heimlich aus dem Keller oder dem Estrich angerufen», so Vetsch.

Neue Massnahmen im Kampf gegen häusliche Gewalt
In der Februarsession 2020 hat der Kantonsrat den XIII. Nachtrag zum Polizeigesetz verabschiedet, ab 1. Juli 2020 wird dieser angewendet. Mit dem Nachtrag wird das Instrumentarium zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt um einige wichtige Elemente erweitert. Dazu gehören neu Annäherungs-, Kontakt- und Rayonverbote, die zusätzlich zur bereits bisher möglichen Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung verfügt werden können.

Diese Massnahmen können künftig auch bei Stalking angewendet werden. Parallel dazu sind im Bundesrecht ebenfalls ab 1. Juli 2020 zusätzliche Regelungen zum besseren Schutz von häuslicher Gewalt und Stalking vorgesehen.

Hier geht es zur Statistik: Statistik häusliche Gewalt

Brauchen Sie Hilfe?
Das Frauenhaus St. Gallen ist weiterhin geöffnet und für Sie da. Bitte melden Sie sich telefonisch oder per Mail bei uns,
wenn Sie häusliche Gewalt erleben und Schutz, Hilfe und Unterstützung brauchen.
Tel. 071 250 03 45
info@frauenhaus-stgallen.ch

Opferhilfe SG – AR – AI
Auch die Opferhilfe ist weiterhin für Sie da. Die Opferberatungen finden per Telefon, Mail oder online statt.
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