Home Region Sport Schweiz/Ausland Rubriken Agenda
Sport
02.02.2022
02.02.2022 15:09 Uhr

«Das Adrenalin pumpte extrem durch die Adern»

Ivo Rüegg fuhr zwei Mal an Olympischen Winterspielen. Im Linth24-Gespräch schaut er nochmals retour.
Ivo Rüegg fuhr zwei Mal an Olympischen Winterspielen. Im Linth24-Gespräch schaut er nochmals retour. Bild: zv
Der ehemalige Bobweltmeister Ivo Rüegg nahm 2006 in Turin und 2010 in Vancouver an den Olympischen Winterspielen teil. Im Gespräch mit Linth24 schaut er nochmals zurück auf diese unvergessliche Zeit. Von Rolf Lutz.

Wenn am Freitag die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking eröffnet werden, dann sitzt Ivo Rüegg mit seiner Frau Maya Rüegg-Bamert mit Sicherheit vor dem Fernsehgerät. Beide waren erfolgreiche Bobfahrer, beide gingen an den olympischen Winterspielen für die Schweiz an den Start und beide sind nach wie vor olympiabegeistert.

Wie Ivo Rüegg seine Olympia-Teilnahmen erlebt hat, was für Gefühle der gebürtige Eschenbacher hatte, als er an den Start ging – und was für Herausforderungen die heutigen Athleten in Peking erleben, das wollten wir von ihm genau wissen.

Ivo Rüegg mit Ehefrau Maya Rüegg-Bamert: «Wir werden die Spiele eng verfolgen.» Bild: zv

Ivo Rüegg, am Freitag beginnen die Olympischen Winterspiele, wie sehr werden Sie das Geschehen verfolgen?
Sehr sogar, ich bin noch als Vorstandsmitglied im Bobverband, und deshalb bin ich auch sehr nahe dran bei den Bobfahrern. Aber natürlich werden meine Frau, Maya Bamert, die auch als Bobfahrerin an der Olympiade teilnahm, und ich das Geschehen in Peking sehr eng verfolgen, wir sind beide nach wie vor sehr sportbegeistert.

Was für Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf, wenn schon im Vorfeld so viel über die Olympischen Spiele in Peking berichtet wird? Kommen da automatisch Erinnerungen an die eigenen Teilnahmen?
Ja, das ist wirklich so. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie das damals war, als ich die Olympia-Kleider fassen durfte. Das war ein spezieller Moment, denn dann weiss man, jetzt ist es so weit, jetzt vertrete ich die Schweiz an der Olympiade. Ich freue mich deshalb unwahrscheinlich für die Athletinnen und Athleten, die jetzt in Peking sind und sich auf den grossen Moment vorbereiten.

Am Freitag ist die Eröffnungsfeier. Erzählen Sie mal, wie war das bei Ihnen, wie lief das ab?
Ich war in Turin an der Eröffnungsfeier, und ich erinnere mich einerseits, dass es ein grosser Aufwand war. Man verliert einen Tag, und an dem steht man grösstenteils herum, wartet und wartet und es vergeht viel Zeit. Aber dann, wenn es so weit ist, man endlich ins Stadion einläuft, dann hat man all das vergessen und dann wird es zum Gänsehaut-Erlebnis. Das Publikum, das anfeuert, die Kameras, die gefühlt an jeder Ecke stehen und die Ehre, die man spürt, dass man das eigene Land an Olympia vertreten darf, das ist unvergesslich.

Ivo Rüegg: «Etwas, an was ich mich auch gut und gerne erinnere, ist der Moment unmittelbar vor dem Start eines wichtigen Rennens.» Bild: zv

Sie holten an Weltmeisterschaften Gold und Silber, traten an den Olympischen Spielen als Weltmeister an, dennoch reichte es nicht auf den Podest. Wie stark schmerzt Sie das heute noch?
Das schmerzt nicht mehr (lacht). Natürlich waren wir mit dem 4. und 6. Rang sehr nahe dran, und da ist es verständlich, dass wir danach sehr enttäuscht waren. Wir starteten als amtierende Weltmeister und es war zudem eine Bahn, die mir im Training sehr gelegen war. Sagen wir es einfach so: Es war ein Ziel, das wir verpasst haben, und andere waren stärker. Aber in der Zwischenzeit ist das alles verarbeitet.

Welche Erinnerungen an Olympiade sind Ihnen noch am stärksten präsent?
Das Aufeinandertreffen mit den anderen Athleten, aus anderen Ländern und anderen Sportarten, das war für mich immer faszinierend. Man lernt so Spitzensportler und Weltstars aus anderen Sportarten hautnah kennen, mit denen wir vorher keine Berührungspunkte hatten. Daraus sind Freundschaften entstanden, die bis heute noch halten. Etwas, an was ich mich auch gut und gerne erinnere, ist der Moment unmittelbar vor dem Start eines wichtigen Rennens. Das Adrenalin pumpte jeweils extrem durch die Adern und man hatte diesen Gänsehaut-Moment, wie es im normalen Leben nie mehr vorkommt.

Dieses Mal wird es wegen Corona noch speziell herausfordern.
Jeden Tag die Tests, die Abschottung vom Publikum und das Leben in praktisch einer Bubble, das ist sicher eine grosse Herausforderung für die Athleten. Im Bob sind die meisten Fahrerinnen und Fahrer das erste Mal dabei, das ist sowieso speziell. Aber jetzt kommen noch die organisatorischen Aufgaben dazu, das sind riesige Herausforderungen.

Welche Zielsetzungen haben die Bobfahrerinnen und -fahrer in Peking?
Wir haben viele junge Fahrer am Start. Sie haben sich der Weltspitze schon ziemlich angenähert und gerade letztes Jahr verschiedentlich Podestränge erreicht. Als Zielsetzungen haben wir uns Diplomränge gesetzt. Wenn alles zusammen stimmt und passt – am Start, mit dem Material und mit der Fahrtechnik, dann ist alles möglich. Ich glaube an die Fahrerinnen und Fahrer, dass sie durchaus um eine Medaille mitkämpfen können. Aber das Grundziel ist ein olympisches Diplom.

Rolf Lutz, Linth24