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Kanton
15.02.2023
16.02.2023 08:10 Uhr

3 Tage im Kantonsrat

Das St.Galler Kantonsparlament tagt im grossen Ratssaal des Regierungsgebäudes. (Archivbild)
Das St.Galler Kantonsparlament tagt im grossen Ratssaal des Regierungsgebäudes. (Archivbild) Bild: Christopher Chandiramani
Christopher Chandiramani, Kantonsrat und freier Linth24-Mitarbeiter, berichtete aus der Februarsession 2023 des St.Galler Kantonsrats, die vom 13. bis zum 15. Februar stattfand.

3. Sitzungstag: Mittwoch, 15. Februar 2023

Die heutige Traktandenliste erschien zunächst etwas kürzer als üblich. Aber die Voten, insbesondere bei den Vorstössen (Motionen, Postulate, Standesbegehren), waren zahlreich und ausführlich, so dass der ganze Tag zur Abarbeitung dieser Geschäfte verwendet wurde.

Der Morgen des dritten Sessionstages startete mit der Berichterstattung der Staatswirtschaftlichen Kommission. Im Vordergrund stand die Bus Ostschweiz AG wegen eines ungerechtfertigten Bezugs von finanziellen Abgeltungen. Der Kanton St.Gallen gedenkt sich vom kantonseigenen Aktienpaket trennen. Ein ähnliches Problem (Buchhaltungstricks) hatte früher die Postauto Schweiz AG. Das BAV (Bundesamt für Verkehr in Bern) hat die Oberaufsicht der Transportgesellschaften des öffentlichen Verkehrs und somit auch erweiterte Kompetenzen zur Kontrolle der Jahresrechnungen.

Weiter folgten zwei Geschäfte über die Mittelschulen, beide in erster Lesung, der XIV. Nachtrag zum Mittelschulgesetz (Absenzen und Unterrichtsbefreiung), sowie der XV. Nachtrag zu einer flexibleren Ferienregelung. Beim ersten Nachtrag ging es um die Umsetzung einer Motion, welche verlangte, die Gründe für bewilligungsfähige Absenzen während des Unterrichts neu zu definieren; auch Klimastreiks. Beim zweiten Nachtrag, den Rektorinnen und Rektoren der Mittelschulen zu ermöglichen, über die gesamte Schulzeit hinweg acht Ferienwochen als besondere Schulzeit zu bestimmen (z.B. für Sprachaufenthalte). Der Kantonsrat lehnt beide Vorlagen ab. Der Rat folgt damit dem Antrag der vorberatenden Kommission.

Fortgesetzt wurden die Beratungen mit den zahlreichen parlamentarischen Vorstössen (vor allem Interpellationen) im Zuständigkeitsbereich der Departemente Bildung, des Inneren, des Sicherheits- und Justizdepartements, der Finanzen, Gesundheit, Volkswirtschaft, des Bau- und Umweltdepartements sowie der Staatskanzlei.

Im Zuständigkeitsbereich des Bildungsdepartementes wurde mit dem Wortlaut «mit Berufsmatura prüfungsfrei an pädagogische Hochschulen» mit deutlichem Mehr angenommen. Hingegen wurde eine Motion zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für ein «Verbot der Elterntaxis» abgelehnt. Ein Postulat betreffend eine Analyse zum Lehrermangel wurde angenommen, aber mit geändertem Wortlaut. Ebenso wurde ein Postulat über Reduktion der unterrichtsfremden Mehrbelastung ebenfalls mit geändertem Wortlaut der Regierung angenommen. Bei weiteren Departementen in den Bereichen Energie und Finanzen wurden Entlastungen für Leute in bescheidenen Verhältnissen abgelehnt. Die Regierung wartet auf gesamtschweizerische Lösung. Auf ein Postulat betreffend Armutsbetroffenheit und Altersarmut wurde nicht eingetreten. Ein Standesbegehren bezüglich einer Verschärfung im Verwaltungsstrafrecht im Umweltbereich wurde auf die Junisession vertagt.

Die dringende Interpellation betreffend «Wil West» wurde zum Abschluss noch behandelt (Frage zum Volkswillen nach einer verlorenen Abstimmung).

Die Schlussabstimmungen zum Ende der Session betrafen die Spitalfinanzierungen (Geschäft Nr. 33.22.09 A-G, Umwandlung von Darlehen in Eigenkapital) des Kantonsspitals in St.Gallen, der Spitalregionen Rheintal Werdenberg Sarganserland, Fürstenland Toggenburg und des Spitals Linth in Uznach. Die Zustimmung zu diesen Vorlagen verlief weitgehend einstimmig, aber ungern, angesichts der prekären Finanzen der St.Galler Spitäler. In Bezug auf die Bauvorhaben in Grabs gab es Opposition.

Der Beschluss betreffend die Olma, Erhöhung des Kapitals und Umwandlung der Genossenschaft in eine AG, wurde ebenfalls klar angenommen.

Rücktritte: Ruedi Blumer (SP) nach 27 Jahren im Kantonsrat.

Sitzungsende 17:15 Uhr, ein Ordnungsantrag auf Verlängerung der Session wurde angelehnt.

2. Sitzungstag: Dienstag, 14. Februar 2023

Der Vormittag des zweiten Sessionstages startete mit einer dringlichen Interpellation. Es ging um die Vorlage «Wil West», welche am 25.09.2022 vom Volk abgelehnt wurde. Nun soll dieses Überbauungskonzept dennoch erstellt werden. Die St.Galler Regierung gedenkt, das Bauland dem Kanton Thurgau zu verkaufen, welcher später die Ausführung an die Hand nehmen soll. Kantonsräte sehen hier eine Missachtung des Volkswillens und stellten Fragen. Die Überprüfung des Geschäfts wurde als dringlich erklärt. Die Regierung bestritt die Dringlichkeit nicht.

Weiter wurden die Beratungen mit dem II. Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung geführt, ferner den II. Nachtrag zum Einführungsgesetz über die Familienzulagen. Der XXVIII. Nachtrag zum Volksschulgesetz war nicht bestritten. Es ging um die Klärung der Finanzierung der obligatorischen Lehrmittel (Kanton, Gemeinden).

In der zweiten Hälfte des Vormittags ging es um den Kantonsratsbeschluss über den Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2024–2026. Verschiedene Anträge, beantragt durch die Ratslinke, wurden abgelehnt (Rückweisungen, Mehrausgaben und Löhne, Stellenpläne). Angenommen wurden somit mehrheitlich die Beschlüsse der Finanzkommission. Im AFP wurden die Investitionen nach oben korrigiert. Gemäss Regierungsangaben ist für 2023 mit Defiziten zu rechnen.

Bei den drei Nachträgen (XIX, XX und XXI) des Steuergesetzes (in einer Lesung) handelte es sich um Anpassungen nach Vorgaben des Bundesrechts, Harmonisierung, sowie Reduktion der Erbschafts- und Schenkungssteuern bei Konkubinatspaaren, sowie der Besteuerung von Vorzugsmietzinsen (z.B. an Verwandte). Bis jetzt war der Eigenmietwert massgebend. Generelle Opposition kam von der Ratslinken mit der Befürchtung bezüglich Minderreinnahmen. Besonders intensiv war die Diskussion über die «kalte Progression», d.h. eine indirekte Steuererhöhung infolge Teuerung, welche momentan über drei Prozent liegt. Ein Rückweisungsantrag an die Regierung mit dem Auftrag, die finanziellen Auswirkungen der kalten Progression abzuklären, wurde abgelehnt, somit überwiegend die bürgerliche Linie unterstützt.

Beendet wurde der Tag mit den parlamentarischen Vorstössen, Interpellationen, Postulaten, Motionen und Standesbegehren in den Bereichen des Finanzdepartements, des Departements des Inneren, des Sicherheits- und Justizdepartements, des Volkswirtschaftsdepartements, des Gesundheitsdepartements und Bau- und Umweltdepartementes. Eine lange emotionale und polarisierende Diskussion gab es hier bezüglich der Motion über die Erhöhung der Begrenzung des Pendlerabzugs infolge höherer Wegkosten (Treibstoffe und Elektrizität). Der Rat beschloss Gutheissung und Eintreten mit 69 zu 39 Stimmen bei einer Enthaltung. Auf eine Motion bezüglich strengerer Sprachanforderungen für Einbürgerungswillige wurde nicht eingetreten. Der Hauptteil der Vorstösse dürfte am Mittwoch abgearbeitet werden.

Bei den Geschäften ist für morgen Mittwoch noch der Bericht der Staatswirtschaftlichen Kommission pendent, sowie bei der Mittelschul-Gesetzgebung die Absenzenregelung sowie die Flexibilisierung der Ferien.

Bei den Schlussabstimmungen wird über die Spitalschäfte abgestimmt, Umwandlungen von Baudarlehen und Hypotheken in Eigenkapital beim Kantonsspital St.Gallen, die Finanzierung der Spitalregionen Rheintal-Werdenberg-Sarganserland, Fürstenland-Toggenburg und des Spitals Linth in Uznach.

1. Sitzungstag: Montag, 13. Februar 2023

Am Montag startete die Session um 08:30 Uhr mit den Fraktionssitzungen, d.h. den Vorbesprechungen der Parteien unter sich. Wettermässig erwartete man einen warmen und sonnigen Vorfrühlingstag an Stelle des zähen Nebels, welcher sich erst am Mittag auflöste.

Über Mittag gab es einen Politapéro des Gastroverbandes St.Gallen. Es folgten Referate über die aktuellen Aktivitäten der Branche, und anschliessend wurden Ratsmitglieder und Gäste zum Mittagessen eingeladen.

Nachmittags um 14:00 Uhr eröffnete Kantonsratspräsident Jens Jäger die Plenumssitzung. Erstes Traktandum war die Ersatzwahlen von zwei Mitgliedern des Kantonsrates. Für die Mittepartei (früher CVP) ersetzt Helen Alder Frey aus Gossau die abtretende Patricia Adam aus St.Gallen. Für die zweite Vakanz ersetzt Hansruedi Thoma, aus Müselbach (bei Kirchberg), den zurückgetretenen Karl Brändle, Bütschwil. Anschliessend folgte die Vereidigung der beiden neuen Mitglieder.

Die Kommissionsbestellungen des Kantonsrats, drei neue Mitglieder, waren unbestritten (Kinderbetreuung, Klimafonds, Tätigkeitsbericht des Parlaments inkl. Ratsreglement). Weiter vorgenommen wurde die Ersatzwahl in die Rechtspflegekommission des Kantonsrats für die Amtsdauer 2020-2024, die Wahl des Regierungspräsidenten (2023-2024), sowie die Wahl des Präsidenten des Kantonsgerichtes (2023-2025) und schliesslich die Wahl der Vorsitzenden des Verwaltungsgerichtes für die Amtsdauer 2023-2025. Als Regierungspräsident wurde Stefan Kölliker gewählt, als Kantonsgerichtspräsident Patrick Guidon und als Präsidentin des Verwaltungsgerichts Frau Miriam Lendfers.

Im Anschluss an die Wahlen folgten die zweiten Lesungen bezüglich der Spitalregionen, die Wertberichtigungen, Umwandlungen von Kontokorrent-Darlehen und Baudarlehen in Eigenkapital der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland, des Spitals Linth in Uznach und der Spitalregion Fürstenland Toggenburg.

Umstrittener war der Kantonsratsbeschluss über die Erhöhung des Eigenkapitals der Genossenschaft Olma Messen St.Gallen sowie deren Umwandlung der Olma in eine Aktiengesellschaft. Man hört, dass die Kapitalerhöhung und die Ausgabe von Aktien nur schleppend vorankommen. Wenig Diskussionen gab der Kantonsratsbeschluss über die Instandsetzung und Umnutzung der Schützengasse 1 in St.Gallen für das Kreisgericht St.Gallen. Eher mehr Diskussionen gaben wegen hoher Kosten (total über CHF 500 Mio.) die Arealstrategien zur baulichen Entwicklung des Psychiatrieverbundes (Standorte Eggfeld in Wil und St. Pirminsberg in Pfäfers). Ein Antrag für einen Zwischenbericht wurde abgelehnt.

Zum Schluss des Tages wurden die parlamentarischen Vorstösse beraten im Zuständigkeitsbereich des Bau- und Umweltdepartementes (verschiedene Energiefragen), des Gesundheitsdepartementes, des Volkswirtschaftsdepartementes und der Staatskanzlei.

In den kommenden zwei Tagen sind auf der Traktandenliste:

  • Aufgaben- und Finanzplan;
  • Drei Nachträge zum Steuergesetz (Vorzugsmieten, Erbschaft an Konkubinatspartner, Anpassungen an Bundesgesetze);
  • Volksschulgesetz;
  • Mittelschulgesetz;
  • Einführungsgesetz AHV und IV;
  • Familienzulagen;
  • Berichterstattung der Staatswirtschaftlichen Kommission;
  • Vorstösse, darunter fünf Standesbegehren betreffend Umweltsünder, Verbandsbeschwerderecht bei Energieprojekten, Stromversorgung, Energiesparmassnahmen, Masseneinwanderung.
Christopher Chandiramani, Kantonsrat und freier Mitarbeiter Linth24