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Kultur
05.03.2020
06.03.2020 06:29 Uhr

So sieht der Sexualunterricht von heute aus

Aufklärung soll heute neu ausgerichtet werden. Ein verantwortungsvoller und zugleich lustvoller, positiver und ganzheitlicher Zugang zu Sexualität sei laut dem Kompetenzzentrum Integration und Gleichstellung des Kantons gefragt.

Sexualaufklärung – was sich früher auf die Vermittlung von biologischen Fakten und die Prävention von ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten beschränkte, soll heute neu ausgerichtet werden. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für Sexualunterricht? Wie sieht die Aufklärung heute aus? Welche Bedürfnisse haben Jugendliche? stgallen24 hat bei Rahel Fenini, Projektleiterin im Kompetenzzentrum Integration und Gleichstellung des Kantons St.Gallen nachgefragt. 

Frau Fenini, was unterscheidet die heutige Sexualaufklärung zur früheren?
Die Forderungen der Sexualaufklärung haben sich gewandelt. Früher hat sich die schulische, formelle Sexualaufklärung insbesondere auf die Vermittlung von biologischen Fakten und die Prävention von Geschlechtskrankheiten und ungewollten Schwangerschaften fokussiert, beispielsweise im Rahmen eines AIDS-Tages. Heute erhalten Kinder und Jugendliche einen viel grösseren Input durch die Gesellschaft und Social Media zum Thema Sex, Sexualitäten und Rollenbilder. Deshalb verändern sich auch ihre Ansprüche und Fragen. Unterschiedliche Kampagnen, wie diese des Jugendnetzwerks «Sexuelle Gesundheit Schweiz», fordern eine ganzheitliche Sexualaufklärung, die den Bedürfnissen der Jugendlichen entspricht und auf den sexuellen Rechten aufbaut. Der Unterricht muss mit dem Wandel der Zeit gehen und viel mehr Themen behandeln. Es soll um Gleichstellung, Sexismus, Rollenbilder von Frauen und Männern, LGBTQ, Homo-, Bisexualität und vieles mehr gehen. Es soll «empowert» und nicht verängstigt werden. 

Wann sollte man Ihrer Meinung nach mit Aufklärung beginnen?
Ich denke, dass man nicht zu früh mit Aufklärung beginnen kann. Heute haben bereits 7-Jährige ein Smartphone und können sich mit ein paar Klicks jegliche Videos und Fotos anschauen und allenfalls ein falsches Bild von Sexualität, Körper- und Rollenbildern von Frauen und Männern vermittelt kriegen. Eine frühe und altersgerechte Aufklärung kann sich diesem Zustand annehmen und diesen thematisieren. Man sollte meiner Meinung nach mutiger, offener und progressiver mit dem Thema umgehen.

Werden die Lehrpläne angepasst?
Der Lehrplan der Volksschule des Kantons St.Gallen schreibt die sexualpädagogischen Inhalte vor. Bei der Vermittlung dieser ist auf die Informationsbedürfnisse und -notwendigkeiten, den Entwicklungsstand und das Alter der Schülerinnen und Schüler sowie auf die Sozialstruktur Rücksicht zu nehmen. Selbstverständlich können die Lehrpersonen für den Sexualunterricht externe Fachstellen beiziehen. Dies finde ich eine gute Idee, da dadurch eine gewisse Distanz zwischen der Lehrperson und den Schülerinnen und Schülern gewahrt wird, falls dies gewünscht ist. Die Schule ist ein gutes Sprachrohr um viele Kinder und Jugendliche zu erreichen.

Im Rahmen der Sexualpädagogik in St.Gallen bietet die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen das Projekt «Comout» an. Dabei besucht eine junge, homosexuelle Person den Unterricht oder eine Jugendgruppe und erzählt von ihren Erfahrungen und dem persönlichen Coming-Out.

Es gibt bestimmt Eltern, die das nicht so toll finden und lieber selbst die Aufklärung übernehmen würden. Wie gehen Sie damit um?
Ja, das gibt es. Sexualaufklärung kann und soll auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Kontexten passieren. Ich denke, es ist wichtig, den Dialog zu suchen und mit den involvierten Personen ins Gespräch zu treten. Dadurch können auch Zweifel und Ängste genommen werden. Deshalb laden wir auch alle zu unserer Veranstaltung «Gender Matters» am 9. März ein. Dort werden wir auf weitere Fragen rund um das Thema Sexualität und Gleichstellung eingehen.

Gender Matters: «Let's Talk About Sex – Sexualaufklärung und Gleichstellung»,

Montag, 9. März 2020, 19.00 bis 20.30 Uhr, im Raum für Literatur in der Hauptpost

St.Gallen (Eingang St.Leonhardstrasse 40, 3. Stock)
Thementalk und Barbetrieb, freier Eintritt.

Miryam Koc, St.Gallen24
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