Was ist bloss mit der FDP los? – Da will sie „mehr Freiheit, weniger Staat“ und „die Marktwirtschaft stärken“. Die SP hingegen sucht „die Überwindung des Kapitalismus“ und will einen „vorsorgenden Sozialstaat“. Kapitalisten und Kommunisten treffen aufeinander, sozusagen.
Und trotzdem: „Auch FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher wählt Laura Bucher am 19. April in den Regierungsrat“, jubelt die SP des Kantons St.Gallen auf ihrer Facebook-Seite. „Ich wähle Beat Tinner und zusätzlich Laura Bucher in den Regierungsrat – weil es in der Regierung unbedingt eine zweite kompetente Frau braucht“, lässt sich die Abtwiler Anwältin zitieren.
FDP-Kanton-St.Gallen-Geschäftsführer Christoph Graf ist eine diesbezügliche Nachfrage peinlich: Dies sei die persönliche Meinung eines Mitglieds. Graf schätzt das Engagement als Gegenleistung für den Support von linker Seite ein, den Vincenz-Stauffacher bei ihrer Wahl in den Nationalrat im Herbst 2019 geniessen konnte.
Also einfach „Guet Häfeli, guet Teckeli“? Vielleicht. Aber: Wie wirtschaftsfreundlich können die Positionen von jemandem sein, den die SP unterstützt – und umgekehrt? Gut, kann man einwerfen, hier geht es nicht um Positionen, sondern um Personen: Vincenz-Stauffer wolle halt noch eine Frau in der Pfalz. Eine sei zuwenig, da verstehe man, dass frau frau empfiehlt.
Mit Verlaub: Nein, das verstehe ich nicht. Ist es richtig, jemanden nur aufgrund seines Geschlechts zu empfehlen? Müssten nicht vielmehr Kompetenz, Expertise und Standpunkte ausschlagend sein? Ist das nicht schon diskriminierend – und entwürdigend für die Empfohlene, da sie auf ihr Geschlecht reduziert wird?
Michael Götte, der dritte im Kandidatentrio für die zwei freien Plätze im St.Galler Regierungsrat, hat als SVP-Vertreter nicht nur das wirtschaftspolitische Heu auf der gleichen Bühne wie die FDP. So haben Beat Tinner und er in einem Interview des Unternehmermagazins LEADER erklärt, nicht gegeneinander, sondern „gemeinsam gegen links“ anzutreten.
Dass die FDP nun eine Kehrtwende macht – ja, es ist nur eine Nationalrätin, die für die SP wirbt, aber man identifiziert namhafte Exponenten nun mal mit ihrer Partei –, irritiert. Wie soll der Wähler so wissen, wie wirtschaftsfreundlich die FDP wirklich ist? Gerade jetzt, wo uns die Coronakrise im Würgegriff hält, sind starke Wirtschaftsvertreter in der Regierung gefragt. Ob sie nun Männlein oder Weiblein sind.
Stephan Ziegler ist Chefredaktor des Unternehmermagazins LEADER.